Man kann nicht nicht konsumieren
Kommt Ihnen der Titel unseres heutigen Blogeintrags merkwürdig vor? Manche von Ihnen mögen sich vielleicht an der doppelten Verneinung gestört haben. Andere wiederum denken: „Moment mal, der Satz geht doch eigentlich anders!“
Diesen aufmerksamen Leserinnen und Lesern muss ich zustimmen. Denn ich habe mir diesen Ausspruch quasi „geborgt“. Eigentlich bezieht er sich auf die menschliche Kommunikation und stammt von dem österreichischen Philosophen und Psychotherapeuten Paul Watzlawick. Watzlawick hat seinerzeit fünf Axiome der Kommunikation formuliert und eines davon lautet in voller Länge so: „Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren.“
Was aber hat dieses berühmte Zitat nun mit der Börse zu tun? Genau das, erfahren Sie heute in diesem Blogeintrag.
Ist Verzicht wirklich die Lösung?
Die weltweite Finanzkrise Ende der Nullerjahre hatte bekanntermaßen weitreichende Folgen. Ein Ergebnis daraus ist die Entstehung des Frugalismus. Tausende Menschen trafen damals zunächst in den USA (und später auch in Deutschland) für sich den Entschluss, aus dem Hamsterrad auszubrechen und das Spiel von Arbeit, Konsum und Status nicht mehr mitzuspielen.
Bezogen auf die Arbeitswelt bedeutet diese Haltung einerseits ein „Downshifting“, also ein Nein zur Karriere oder eine bewusste Reduzierung der Arbeitszeit. Der Frugalismustrend – in den USA auch mit dem Kürzel“FIRE“ bezeichnet, was für „financial independance, retire early“ steht – setzt zudem auf ein bewusstes Konsumverhalten oder sogar Konsumverweigerung.
Das Ziel: finanzielle Unabhängigkeit, und dies möglichst früh im Leben.
Um mit 40 in Rente gehen zu können, verzichten die Menschen, die sich dieser Bewegung angeschlossen haben, auf viele Dinge, die für die meisten von uns ganz selbstverständlich sind: Autos, Restaurant- und Konzertbesuche, Urlaube, Shoppingtrips und vieles, vieles mehr.
Der Trend hält bis heute an – und auch hierzulande machen sich immer mehr Menschen Gedanken darum, wie sie ein sinnhaftes Leben führen können und welche Rolle das Thema Konsum für sie spielt.
Ob Tiny Houses, Carsharing, Containern, der Verzicht auf Fleisch, Unverpacktläden oder der Secondhand-Boom: All das sind Anzeichen dafür, dass sich in unserer Gesellschaft etwas verändert.
Natürlich spielen hier auch noch andere Faktoren hinein. Aber immer auch geht es hierbei um die Haltung der Menschen zum Konsum. Das Zukunftsinstitut spricht in dem Zusammenhang vom Megatrend Neo-Ökologie und von nachhaltigen Lebensstilen, die immer mehr zu einer Selbstverständlichkeit werden.
Oder doch lieber Konsum?
Auch die Corona-Jahre 2020 und 2021 haben unser Konsumverhalten nachweislich beeinflusst. In den Phasen der Lockdowns beispielsweise boomte der Online-Handel, während die Innenstädte verwaist waren und der lokale Einzelhandel unter den Folgen zu leiden hatte. Und so manch ein Verbraucher ist in den beiden Jahren vielleicht auch zu der Erkenntnis gelangt, dass die wahre Freiheit nicht unbedingt im Kaufen oder im Besitzen besteht. Denn macht die Zeit mit Freunden und Familie und die Gewissheit, dass unsere Liebsten gesund und munter sind, uns nicht sogar glücklicher?
Air Jordans als Geldanlage?
Ein weiterer Effekt, der sich schon seit einigen Jahren beobachten lässt, ist die gestiegene Nachfrage nach Sachwerten. Aus Sorge vor der Inflation suchen die Menschen nach Alternativen, um ihr Vermögen zu schützen. So entstand der Trend, auf teure Uhren oder Handtaschen als Geldanlage zu setzen. Und das wiederum beflügelt dann in der Folge auch beispielsweise die Aktienkurse von Trendfolge-Unternehmen wie Nike oder Adidas, die sich natürlich darüber freuen, dass auch Sneaker inzwischen als Sammelobjekt und Geldanlage fungieren.
Auch im Bereich des exzessiven Konsums gibt es also durchaus interessante Entwicklungen. Doch wer mich kennt, der weiß, dass ich kein Freund von Extremen oder von Schwarz-Weiß-Denken bin. Jedem, der sein Lebensglück im Konsumverzicht gefunden hat, sei es von Herzen gegönnt. Nur gebe ich zu bedenken, dass Verzicht allein nicht reicht, um eine Rente mit 40 zu ermöglichen. Und dementsprechend setzen auch viele Frugalisten auf Aktien, um sich den vorzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben zu ermöglichen.
Womit wir wieder bei dem eingangs erwähnten Zitat von Paul Watzlawick wären, das ich mal eben kurzerhand aufs Konsumieren übertragen habe. Denn so ganz ohne Konsum geht’s nun mal nicht. Und das muss es ja auch nicht!